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Pantaleon "Leo" Tendler

- Bürgermeister von Oberdollendorf -

von Ansgar Sebastian Klein

"Tendler ist auch heute noch der Exponent der alten Zentrumskreise und bietet keine Gewähr für einen positiven Einsatz im Sinne der NSDAP." So lautete im Jahre 1935 das Urteil des Amtsbürgermeisters von Oberkassel, Tersteegen, über den Oberdollendorfer Gemeindeschulzen Pantaleon Tendler. Tersteegen bat den Landrat, "Tendler wegen politischer Unzuverlässigkeit von seinem Posten abzuberufen".

Pantaleon Tendler wurde am 31. Dezember 1881 in Oberdollendorf geboren. Er besuchte die dortige Volksschule, diente an der katholischen Pfarrkirche St. Laurentius erst als Meßdiener, dann als Küster, später war er viele Jahre Vorsitzender des Kirchenvorstandes. Seine erste Frau Elise Sülzen starb, nachdem sie bereits eine Tochter verloren hatte, mit dem zweiten Kind bei der Geburt. Der 1915 geschlossenen Ehe mit Gertrud Rademacher entsprangen drei Töchter. Zwei Söhne verstarben im Kindesalter.

Ab 1907 betrieb Tendler einen Kolonialwarenladen, den er von seinem Vater Nikolaus übernommen hatte. 1911 wurde er Vorstandsmitglied der Dollendorfer Spar- und Darlehnskasse, 1932 übernahm er deren Vorsitz. Der Name Tendler wird im Siebengebirge und darüber hinaus vor allem mit dem Weinbau verbunden. Selbst Besitzer eines ererbten Weinberges in der Gemarkung Niederdollendorf, setzte er sich in den Krisenjahren nach dem Ersten Weltkrieg für die Wiederbelebung des einst so bedeutenden Wirtschaftszweiges in Oberdollendorf ein. So gründete er zusammen mit anderen Winzern 1921 eine Brennerei, die die Rückstände der Weinkelterei verwertete, aber auch den Obstbauern der Umgebung zugute kam. Hinzu kam bald eine Mosterei. Zur effektiveren Weinherstellung und Vermarktung gründete er 1929 den Winzerverein, eine Winzergenossenschaft, neu, dessen Vorsitz er bis zur Auflösung 1967 innehatte. Ebenso leitete er als Geschäftsführer den Weinbauverband "Siebengebirge", die Interessenvertretung der Siebengebirgswinzer.

Sein Engagement in und für die Gemeinde führte Tendler bald in die Politik. Bei den Kommunalwahlen von 1929 wurde er als Vertreter der Zentrumspartei in den Gemeinderat und von diesem zum Gemeindevorsteher gewählt. Hier konnte er weiter für den Weinbau wirken. Auf seine Initiative hin wurden mit staatlichen Zuschüssen die Winzerwege angelegt, die die Arbeit im Weinberg erleichterten und Kosten sparten.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten behielt Tendler zunächst sein Amt. Die neuen Herren waren sich durchaus bewußt, daß er kein Parteigenosse war, doch hofften sie, er würde sich - wie so viele andere in der gleichen Situation - den neuen Verhältnissen anpassen. Er wurde aufgefordert, der

SA-Reserve beizutreten, doch Tendler lehnte dies ebenso ab wie eine Mitgliedschaft im Kyffhäuserbund, dem gleichgeschalteten Verband ehemaliger Frontsoldaten. Der Geschäftsmann Tendler trat nach kurzer Zeit wieder aus der NS-Hago aus. Seine Frau blieb nicht länger Mitglied der NS-Frauenschaft. Er weigerte sich, das Parteiblatt, den "Westdeutschen Beobachter", der ihn vor Hitlers "Machtergreifung" angegriffen hatte, zu abonnieren, sondern hielt weiterhin die "Mittelrheinische Landeszeitung" (ehemals die zentrumsnahe "Deutsche Reichs-Zeitung"). Aufmerksam registriert wurde, daß Tendler zwar dem Amtsbürgermeister den "Deutschen Gruß" erwies jedoch nicht den alteingesessenen Oberdollendorfern. Seinen Töchtern verbot er den Eintritt in den Bund Deutscher Mädel (BDM).

An öffentlichen Veranstaltungen von Partei und dem von ihr beherrschten Staat wie dem 1. Mai und der Saarkundgebung nahm er nicht oder nur im Hintergrund stehend teil. Dafür machte er die Mitglieder des Gemeinderates darauf aufmerksam, daß ihre Teilnahme an der Fronleichnamsprozession ortsüblich sei.

Bei einer derart konsequenten Verweigerung gegenüber einem Regime, das nicht zuletzt auf Mitläufertum beruhte, bedurfte es nur eines Anlasses, um den unbequemen Gemeindeschulzen von seinem Amt zu entfernen. Nach einem Zusammenstoß mit SA-Männern im September 1935 entschied der Landrat, Tendler abzuberufen. Nichtsdestotrotz blieb er unter ständiger Beobachtung. 1938 wollten örtliche Nationalsozialisten ihn zwingen, ein Schild in seinem Laden aufzuhängen, das Juden das Einkaufen untersagte, doch Tendler wies dies zurück. Der nach Köln verzogene jüdische Metzger Wolff aus Oberdollendorf hielt noch eine Zeitlang Kontakt zu Tendler, besuchte ihn noch zu Anfang des Krieges heimlich.

In den letzten Kriegstagen beschädigte Artilleriebeschuß sein Haus, wobei die ganze Familie und einige Nachbarn verschüttet wurden, aber von deutschen Soldaten gerettet werden konnten. Nach dem Einmarsch der Amerikaner wurde Tendler von US-Soldaten abgeholt und zum amerikanischen Ortskommandanten gebracht, der ihn nach einem Verhör zum neuen Bürgermeister von Oberdollendorf bestimmte Es fiel ihm die undankbare, weil schwierige Aufgabe zu, die teilweise rigorosen Anordnungen der Besatzungsmacht und gleichzeitig die Bedürfnisse der notleidenden Bevölkerung zu erfüllen. Offenbar gelang ihm dies zu aller Zufriedenheit, denn bis 1961 stand er -mittlerweile vom Zentrum zur neugegründeten CDU gewechselt - der Ortsvertretung vor.

Seine zweite Amtszeit war die des Aufbaus nach den Zerstörungen des Krieges. Gebäude, Straßen und die alte Schule am Rennenberg wurden instandgesetzt die Grundschule "Auf dem Schnitzenbusch", ein Kindergarten und ein Altersheim neu errichtet. Nach wie vor aber blieb der Weinbau Tendlers Domäne. In der 50er Jahren wies er auf die Vorzüge der heimatlicher Weine hin. Die Einrichtung einer jährlichen Prämierung durch die Landwirtschaftskammer Rheinland schuf einen verkaufsfördernden Qualitätsstandard. Tendlers Urteil als Prüfer wurde - auch über den Siebengebirgsraum hinaus - geschätzt. Um eine ständige Verbesserung der Weine zu erreichen und das Weinangebot zu erweitern, entstand eine Rebschule für Neuanpflanzungen.

Beim Abschied aus dem Amt im Jahre 1961 wurde Tendler zum ersten und einzigen Ehrenbürger der Gemeinde Oberdollendorf ernannt. Die Stadt Königswinter übernahm diese Ehrung nach der Eingemeindung 1969. Ausgezeichnet wurde Tendler auch mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande und dem kirchlichen Orden "Pro ecclesia et pontifice''. In vieler Ortsvereinen war Tendler Mitglied und Vorsitzende (er zählt zu den Gründern des Heimatvereins Oberdollendorf und Römlinghoven), später Ehrenmitglied und Ehrenvorsitzender.

Pantaleon Tendler, bei allen als "Leo" bekannt, starb hochbetagt und hochgeehrt am 5. Mai 1975. Seine letzte Ruhe fand er auf dem alten Friedhof. An der standhaften Oberdollendorfer Bürgermeister erinnern die 1954 erweiterte "Leo Tendler-Turnhalle" an der Römlinghovener Straße und die 1979 eingeweihte "Leo Tendler-Anlage" an der Ecke Cäsarius-/Heisterbacher Straße.

© by the author 1998

Erstdruck in: Königswinter in Zeit und Bild, Band I (9. Teillieferung, 1998)

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